Page 112 - MKK Kulturpreisträger 25 Jahre Katalog
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2000 Sigrid Schraube Nürnberg 1947Sie hängen von Bäumen und tanzen im Wind, sie verwandeln einen Raum in eine Sphärenwelt oder lagern schwer wie Wacker- steine am Boden – und doch sind sie leicht, wie eben nur Papier.Sigrid Schraubes Arbeiten sind zumeist aus handgeschöpftem Papier, dem sie alles Traditionelle und Bekannte nimmt, bis es autark wird. Immer wieder zeigen ihre Skulpturen, Bilder und Installa- tionen, dass nichts so ist, wie es erscheint. Sie stellt ihr Papier meist aus Fasern der heimischen Pflan- zenwelt her und verwendet selbst- geschürfte Erdpigmente für ihre Malerei. Häufig steht das gewählte Material in direktem Bezug zum Thema des Arbeitszyklus.So schöpfte sie während des1. Ronneburg Symposions Bildender Künstler 1992 aus gewaschenem Pferdemist und Hafer fünf konkrete Pferdehinterteile, versehen mit echten Schwänzen. Sie bewegten sich still im gotischen Gewölbeder Burg. Zusammen mit einer ab- strakten Version des Themas „Rück- blick“ gerieten sie zu einem iro- nischen Zitat auf Ross, Reiter und Rittertum. Nicht nur im mittelalter- lichen Gemäuer hat sie Kollegen und Besucher in Staunen und Begeisterung versetzt.Gegen starke internationale Konkurrenz gewann sie 1993 auf der „Triennale internationale du Papier“ in Charmey, Schweiz, den1. Preis. Mit der Technik des vege- tabilen Papyrus, die die gelernte Papiermacherin revolutionierte, schuf sie erstmals ein 3-dimensio- nales Objekt, einen Hut aus Rote Rübe Papyrus, der die Attraktion der Papierkunst-Ausstellung des Goldstein-Design Museums in Minnesota, USA, wurde.Schon in ihrer Kindheit wird Sigrid Schraube mit zeitgenössi- scher Kunst und moderner Gestal- tung vertraut gemacht. Ihr Vater war Grafiker, Art Direktor und Fotograph. Sie geht in Nürnberg, Düsseldorf und Hanau zur Schule und verbringt ein Jahr mit einem Auslandsstipendium in Kansas City, Missouri. Zurückgekehrt aus USA absolviert sie ein Volontariat in einer Großdruckerei, um anschlie- ßend an die Akademie der Künste nach Nürnberg zu gehen. Hier studiert sie Angewandte Grafik bei Professor Walter und beschäftigt sich intensiv mit Aktzeichnen, Malerei und Schriftgestaltung.Nach dem Studium baut sie sich ein eigenes Atelier auf und arbeitet als Freie Grafikerin. Bei der Suche nach einem Material, das ihren Ansprüchen nach „Be-Greifbarkeit“ entspricht, wendet sie sich den handgeschöpften Papieren zu und entschließt sich, die Herstellungs- methode selbst zu erlernen.Ihr erster Lehrer wird Helmut Frérik, dessen Arbeitsweise mit alltäglichen, heimischen Pflanzen-fasern ihrem eigenen Empfinden sehr entspricht. Bei Viviane Fontaine in der Schweiz lernt sie die verschie- denen asiatischen Schöpfmethoden mit östlichen Fasern, in Ägypten bildet sie sich fort und verblüfft selbst den Erfinder des vegetabilen Papyrus, Dr. Hassan Ragab, mit ihrer ungewöhnlichen Technik.Arbeiten von ihr sind in renom- mierten Museen und Ausstellungs- orten in Australien, Japan, Kanada, Italien, Ungarn, Holland, Polen, Finnland, USA, Schweden und Däne- mark zu bewundern.In der Region ist sie in Ausstel- lungen und Projekten in Nidderau und Schöneck, in der Synagoge Schlüchtern, auf der Ronneburg, in Hochstadt, bei der Kunstaktion Meilerbrand während des Spessart- projektes sowie in der Kunststation Kleinsassen vertreten. Ihr Wissen gibt sie in Workshops weiter, diesie unter anderem im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg,in der Sommerakademie in Marra- kesch, Marokko, und in der Abbazia di Spineto in Italien anbietet. Seit vielen Jahren leitet sie außerdem Kurse der Kunstwerkstatt Nidderau e.V., deren Vorsitzende sie seit 1995 ist. Für 2002 plant sie Präsentationen unter anderem in Australien, USA und Korea sowie eine Teilinstallation bei den Erdspielen II in Nidderau und zu Frank Leissrings „Gesang der Pyrène“ im Rahmen des Kultur- sommers Main-Kinzig-Fulda in Hanau.11225 JAHRE KULTURPREIS DES MAIN-KINZIG-KREISES