1991 • Kunst
Susanne Melchert
Bad Homburg 1942
Hinter den Zäunen 1 B • 61137 Schöneck
Susanne Melchert
Susanne Melcherts Professionalität, die sich aus hohem Qualitätsbewusstsein und dem Drang ungehemmter Entwicklungsfähigkeit zusammensetzt, sind 1991 ausschlaggebend für ihre Nominierung zum Kulturpreis.
Susanne Melchert wächst in einer gutbürgerlichen, musischen Familie auf. Nach dem Abitur 1962 geht sie an das Städel in Frankfurt, um bei Professor Albert Burkart zu studieren. Burkart lehrt Malerei und fertigt speziell Entwürfe für Glasfenster. Die Idee, der Entwurf, das Zeichnen stehen im Vordergrund der Ausbildung, nicht die Ausführung in der eigenen Glaswerkstatt.
Ein Jahr später, der Akademismus am Städel gefällt ihr nicht, beginnt sie ein Studium für Kunst- und Werkerziehung in Mainz. 1964 verabschiedet sie sich von der geplanten Lehrerinnen-Karriere und beschließt ihre eigene künstlerische Karriere konsequenter voranzutreiben. Sie beginnt eine Glasmalerei-Lehre, die sie 1966 mit dem Gesellenbrief abschließt.
Hier findet sie ideale Arbeitsbedingungen, lernt die großen Meister der Glasmalerei kennen und wird mit neuen Ideen für Glasfenster in Kirchen und öffentlichen Gebäuden konfrontiert. Danach arbeitet sie bis 1969 als handwerkliche Assistentin für künstlerische Glasfenster in der Klasse von Professor Johannes Schreiter, in dieser bezahlten Position findet sie gute Voraussetzungen für eine weitere unabhängige Entwicklung ihrer künstlerischen Ausdrucksmittel. Den Schritt in die Freiberuflichkeit wagt sie, als sie sich entscheidet, sich am Wettbewerb um die Ergänzung der Glasfenster in der Frankfurter Leonhardskirche zu beteiligen.
In den folgenden Jahren entfernt sie sich mehr und mehr von der Glasmalerei, weil sie deren Formensprache begrenzt findet und neue Ideen nicht in Aussicht stehen. Ausgehend von ihren Entwürfen entstehen Collagen, Aquarelle, Zeichnungen, Acrylbilder auf Papier und Graphiken. Die Natur ist dabei ein Thema, das sie besonders interessiert und das sich bereits in frühen Grafiken in der Verwendung von Naturformen gezeigt hat. In der Üppigkeit, im Farben- und Formenreichtum ihrer Arbeiten spiegeln sich allerdings auch sinnbildhaft die systematische Zerstörung von Natur und die damit verbundene Trauer wider.
Ab 1970 ist sie auf zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen vertreten.
Seit sie beruflich selbstständig ist, hat sie auch immer versucht, abseits vom Kunstmarkt neue Formen des Verkaufs und der Präsentation zu finden. Mit zwei Künstlerkollegen, — darunter ihr Mann Jürgen Wölbing, Kulturpreisträger von 1986 —, hat sie Ende der 1980er Jahre das "Kunsthaus Hinter den Zäunen" in Schöneck-Büdesheim gegründet, hier sind Lebens-, Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeiten kombiniert mit kulturellen Angeboten für die Region in den Bereichen der bildenden Kunst, des Theaters und der Literatur.
Ab 1998 steht, ausgelöst von einer notwendigen Totalsanierung des Büdesheimer Jugendstil-Domizils, im Kunsthaus eine neue Konzeption an. Für einen Großauftrag — die Gestaltung eines Portals in der neuen Trauerhalle der Gemeinde Schöneck — wendet sich Susanne Melchert 1999 ihrem ursprünglichen Beruf und Kunsthandwerk wieder zu. Sie entwirft und gestaltet die Seitenflügel und das Oberlicht des Portals aus Glas. Die Glasarbeiten zeigen Übergangssymbole, die zum Nachdenken über Leben und Tod anregen sollen. Zentrales Motiv im Oberlicht ist eine Spirale — der Lebensweg —, ein Sternenweg und ein steinerner Pfad führen ins Unbegreifliche. Im oberen Teil des halbrunden Fensters umschließt eine lichtdurchlässige Farbmauer eine kupferrote Form, die man als Boot oder Schale interpretieren kann und über der sich ein blaues Licht vielfältig bricht. Die Seitenteile des Portals hat sie jeweils dreigeteilt und mit schematisierten Blättern, Vögeln und Bäumen verziert. Mit diesem Farb-, Form — und Lichtzusammenklang hat sie den Durchgang als einen Ort des Innehaltens und der Meditation gestaltet. Die Halle wird im November 1999 ihrer Bestimmung übergeben.
Weitere baugebundene Arbeiten entstehen im Kunsthaus Hinter den Zäunen mit den "Treppenhaus-Bildfenstern" und der "Haustür" (1996 und 2000) und einem Haustürenensemble in Steinbach im Taunus (2000). Im November 2001 veröffentlicht Susanne Melchert im Verlag Kunsthaus Hinter den Zäunen ein bibliophiles Künstler- und Katalogbuch. Hinter der Beschreibung "1 Erzählung & 2 Bilderfolgen" verbergen sich Virginia Woolf mit dem Titel "Feste Gegenstände" und Susanne Melchert mit den Serien "Aus dem Haushaltsbuch" und "Orientalische Karten".