Page 44 - MKK Kulturpreisträger 25 Jahre Katalog
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1986 Jürgen Wölbing Breslau 1942„Ein kritischer Kopf, der sich seine Unabhängigkeit bewahrt, in grübelnder Unbeirrbarkeit seinen Weg geht, weder es sich, dem Weg noch den Betrachtern seiner Bilder leicht- machend,“ mit diesen Worten stellt Herbert Heckmann, Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und Professor an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung, den Kulturpreisträger 1986 – Jürgen Wölbing – vor.Der 44jährige Maler und Bildhauer, der sich vorwiegend gra- phischen Arbeiten widmet, wird von seinem Laudator als ein Mann geschildert, der sich nicht in die Trendpolonaise einreihe, mit der wir heute an der Kunst vorbeigeführt würden. Er habe eine fast kreatür- liche Angst vor dem Klischee. Der Künstler, der die Beschäftigung mit der Natur besonders liebt, in dessen Arbeiten aber auch das Satirische, das Groteske einen bedeutenden Platz einnimmt, zeichnet sich, wie Heckmann sagt, dadurch aus, dass er sich Gedanken über das mache, was er zu Papier bringe, aber auch Gedanken über diese Gedanken.Schönheit sei für Wölbing nicht ein Objekt, das abgerundet künst- lerisch wieder abzurunden wäre, sondern gleichsam ein produktives Sehen. Wölbings Bilder deckten sich nicht mit dem, was er sich als wirklichen oder imaginierten, vor- gestellten Gegenstand vornehme. Sie wichen ab, seien anders, um das Andere zu fassen, das man Schön-heit, das man Möglichkeit oder Natur nennen könne. Dies sei nicht zu umschreiben, nicht zu beschreiben. So wie es in den Bildern gefasst sei, sei es allein fasslich. Jürgen Wölbing sei ein Realist, der das Widersprüchliche der Realität, der die Zerstörung wie das Zerstörtsein sehe und beides zu berichtigen suche, sich selbst aber auch berichtige. Auf dieses Sowohl-als-auch komme es an.Ilse Werder schreibt zu diesem Themenkomplex in einem Zeitungs- interview 1987: „Die Widersprüche, die da zwangsläufig zwischen Anspruch und Wirklichkeit, äußerer und innerer Welt, Ruhendem und Spannungs- vollem, Gegenständlichem und Ab- straktem aufkommen, muss Wölbing umsetzen und da muss dann auch Sozialkritisches und Gesellschafts- kritisches herauskommen, wie etwa Bilder von Wohlstandsalbträumen und den sinnlosen Drohgebärden der Kriegsmaschinerien.“Wölbing, 1942 in Breslau geboren und am Bodensee aufgewachsen, hat nach kurzem, für ihn frustrieren- dem Studium der Kunstwissen- schaften und Kunstgeschichte in Frankfurt längere Zeit in einer Druckerei gearbeitet. Hier hat er sich solide Kenntnisse in der Typographie und der Buchgestaltung verschafft und danach bis 1972 seine eigene Druckerei betrieben. Nebenbei besucht er Zeichenkurse bei Walter Hergenhahn an der Abendschule des Frankfurter Städel.Mitte der 1970er Jahre lebt er als freischaffender Künstler in Nie- derdorfelden. „Von den Jahren am Bodensee rührt meine Liebe zu Land- schaft und Natur, ich habe immer gerne auf dem Dorf gelebt und nur hier kann ich in Ruhe über eine Sache nachdenken,“ bekennt erIlse Werder.Seine Arbeiten finden im In- und Ausland Resonanz: im Main- Kinzig-Kreis, in Frankfurt, in den Niederlanden, in Norwegen und Taiwan. 1981 gehört Wölbing neben A. Paul Weber, HAP Grieshaber, Karl Hubbuch und Michael Matthias Prechtl zu den 32 Künstlern, die das Auswärtige Amt für eine Aus- stellung „Realistische Graphik aus der Bundesrepublik“ in Havanna, Kuba, auswählt. Im selben Jahr wird er mit einem lithographischen Meisterwerk, der an barocke Monu- mentalgemälde erinnernden Graphik „life is very complicated“, Senefelder Preisträger in Offenbach.Wölbings Oeuvre umfasst neben Gemälden und Zeichnungen auch Buchillustrationen. Mehrere seiner mit Original-Graphiken ausgestatteten Bücher wurden von der Stiftung „Buchkunst“ zu den schönsten 50 Büchern des Jahres gekürt, darunter die von ihm kreierte Ausgabe zu Edgar Allan Poes „Gordon Pym“ für die Büchergilde Gutenberg.Ein Höhepunkt in Wölbings Schaffen ist 1985 die Fertigstellung seines kleinen Wolkenbüchleins –4425 JAHRE KULTURPREIS DES MAIN-KINZIG-KREISES