Katharina Reschke
Laudatio auf Katharina Reschke
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor 30 Jahren wurde der Kulturpreis durch die Aussetzung eines Förderpreises erweitert. Damit wollten die Initiatoren des Preises junge Künstlerinnen und Künstler unterstützen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Heute bekommt mit Katharina Reschke eine junge Dame den Förderpreis, die ihren Weg zur etablierten Künstlerin schon recht weit beschritten hat.
Katharina Reschke wurde 1989 in Omsk / Russland geboren. Im Alter von neun Jahren kam sie zusammen mit ihrer drei Generationen fassenden deutschstämmige Familie über Berlin, Thüringen, Gießen nach Hanau. Sowohl in Russland als auch in Deutschland stand zu Hause ein Klavier. Dies war Anlaufstelle für Katharinas ersten musischen Aktivitäten. Singen und Musizieren – das waren Dinge, die sie früh aus eigenem Antrieb heraus tun wollte und in denen sie Unterricht erhielt. Die Bildende Kunst entdeckte sie etwas später für sich: Mit 13 Jahren wurde sie in der Jugendkunstschule der vhs in Hanau angemeldet. In ihren Jugendjahren besuchte sie dort verschiedene Kurse und Workshops.
Geprägt hat sie hier vor allem ihre erste Kursleiterin Dagmar Löwe. Die Kunstpädagogin schaffte es, die Kreativität des jungen Mädchens zu fördern, und zwar zunächst erst einmal durch einfaches Drauflosmalen, frei von Zwängen, mit viel Fantasie. Katharina Reschke erinnert sich heute, dass sie dieses „Laissez-Faire“-Prinzip und die damit verbundene Freiheit der Workshops sehr genossen hat.
Sie entwickelte schnell eine Begeisterung für das Ausdrücken von Ideen und Emotionen in Bild, Farbe und Gestalt. Im Kunst-Leistungskurs an der Hohen Landesschule konnte sie ihre Fähigkeiten weiter entwickeln und mit Hintergrundwissen in Kunsthistorik und Stilistik untermauern.
Es war Joerg Eyffert, Hanauer Künstler und MKK-Kulturpreisträger aus dem Jahr 2006, der uns Katharina Reschke für den Förderpreis vorschlug. „Sie ist mir persönlich schon in ihrer Schulzeit aufgefallen. Ich wurde von einem Bekannten angesprochen, dass eine junge, begabte Malerin einen Praktikumsplatz bei einem Künstler sucht. Wir nahmen Kontakt auf und sie machte daraufhin ein zweiwöchiges Schulpraktikum bei mir im Atelier. Ihr malerisches Potenzial ist schon zu diesem Zeitpunkt zu erkennen gewesen, und es war auch ganz klar für sie, dass sie den Beruf einer Künstlerin ergreifen will“, schrieb er in seinem Vorschlag.
Doch war ihr auch klar, dass hierzu ein Kunststudium notwendig sei, was einiger Vorbereitung bedurfte. Eine fortan prägende Person war Joachim Mennicken, bei dem sie an der Hanauer Jugendkunstschule verschiedene weiterführende Kurse besuchte. Unter seiner Obhut erstellte Katharina Reschke die Kunstmappen, die sie später für ihre Bewerbungen an Hochschulen benötigte. Pro Mappe sind in der Regel 20 Arbeiten unterschiedlicher Techniken (zum Beispiel Aktzeichnungen, freies Malen und Zeichnen) einzureichen. Katharina schaffte es, in kurzer Zeit fünf Mappen – also rund 100 Arbeiten – fertig zu stellen und sich mit ihnen an unterschiedlichen Kunsthochschulen in Deutschland zu bewerben.
Einige Lehranstalten hätten sie gerne als Studentin aufgenommen; Osnabrück zum Beispiel, wo das Bewerbungsprozedere fast schon einem professionellen „Assessment-Center“ gleichzusetzen ist. Doch entschied sich Katharina ganz bewusst für die beschauliche Gemeinde Alfter bei Bonn. Hier befindet sich die „Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft“. Mit ihrem Namen bezieht sich die Hochschule auf Alanus ab Insulis, der bereits im Mittelalter eine humanistische Bildungsidee in Zusammenhang mit den Sieben Freien Künsten lehrte. Er vertrat schon damals die Vorstellung, dass Studieren die „Bildung des Menschen zum Menschen durch Interdisziplinarität“ bedeutet und über ein reines Fachstudium hinausgehen muss. In Anlehnung daran ist ein wichtiger Teil des Konzepts der Alanus Hochschule die Gemeinschaft und Begegnung der Künste. Dieses Konzept hat Katharina Reschke überzeugt. Sie nahm einen von 20 verfügbaren Studienplätzen ein – zunächst im Rahmen eines Orientierungsjahres und dann in fester Zuordnung in der Klasse von Professor Andreas Oroz. Figürliche Malerei ist der Schwerpunkt dieses Lehrers, was den Neigungen von Katharina Reschke sehr entgegenkam.
Auf die Frage, welche Epochen und Stilistiken sie besonders interessierten, nennt sie zuallererst die Begriffe „Renaissance“ und „Klassische Moderne“. Die Kunst der klassischen Moderne sei ihrer Meinung nach zwar etwas „muffiger“ als die der Renaissance, doch sieht Reschke darin kein Manko. Ihr geht es vor allem um das Nachdenken und Nachempfinden, denn Reflexion sei wesentlich für jede künstlerische Betätigung. „Man muss wissen, was man tut und warum“, bringt Katharina es auf den Punkt.
In den großen Ateliers der Hochschule bereitete sie sich akribisch auf den Abschluss „Bachelor of Fine Arts“ vor, den sie 2014 erlangte. Dabei fokussierte sie sich nach einer längeren Phase der Portraitmalerei immer mehr auf die künstlerische Betrachtung von Designobjekten. Dies sind in der Regel Objekte, deren Ästhetik meist über ihrer Funktionalität steht. Kannen, Schalen, Lippenstifte und Kultobjekte des Designs spiegeln förmlich den Wunsch nach Schönheit wider. Sie sind Ausdrucksformen einer Gesellschaft, ihrer Statussymbole und Sehnsüchte. Und Katharina Reschke versucht, dies in ihrer Kunst neu oder anders zu deuten, sie in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Inspirationen für geeignete Motive erhält sie teils in Museen, teils aber auch beim Vorbeigehen an Schaufenstern und Auslagen. Prominentestes Beispiel ist hierfür wohl der „Tiffany Flagship Store“ in der Fifth Avenue in New York, den sie im Rahmen einer Exkursion besucht hat. Aber auch Frankfurt, wo Katharina Reschke heute lebt und Kunstgeschichte studiert, bietet ein weites Feld voller Inspiration. Jeder Spaziergang auf der Zeil ist für sie eine Entdeckungsreise. Nun mag man das als Frau gut nachempfinden können, doch kauft Katharina Reschke nicht die Designer-Obstschalen, Vasen, Sessel, Champagnerkübel oder Cocktailshaker sondern sie malt sie. Und auf verblüffende Art und Weise gelingt ihr es, das Erlebnis ihrer eigenen Betrachtung in realistische, teils plastisch anmutende Malerei zu übersetzen. Es ist imposant, wie in ihren Bildern durch die Brechung des Lichts klare Linien zerfließen und wie hochglänzende Reflektionen vor ruhigem Hintergrund einen intensiven Spannungsbogen bilden.
Die beiden Bilder, die wir hier im Barbarossasaal exemplarisch zeigen dürfen, unterstreichen das. Das Bild „Tea & Coffee Piazza“ (Acryl auf Leinwand) zeigt uns, wie metallische Oberflächen Reflektionen der Umgebung evozieren: Sie spiegeln, verzerren oder stellen die Verortung im Raum auf den Kopf. Die Bilder werden so zu einer Szenerie aus Licht, Schatten und Spiegelungen. Wer sich Zeit nimmt und ein wenig vor diesem Bild – oder auch vor dem „Phonographen“ an der anderen Wand – stehen bleibt, der wird auch merken, wie intensiv sich die Künstlerin mit Oberflächenstrukturen ihrer Bilder beschäftigt. Dabei wird einem bewusst: Es sind nicht die Bilder von Katharina Reschke, die hochglänzend sind, sondern ihre Motive. Die Oberfläche ihrer Gemälde ist spröde von Leinwandstruktur und Farbauftrag geprägt. Doch die Motive haben einen besonderen Glanz, sind förmlich greifbar, erscheinen glatt, kalt und fassbar. Plötzlich wird klar, dass ihre Bilder weitaus mehr als „interpretierende Abbildungen“ sind, sondern handwerklich wunderbar gemachte Kunstwerke, die zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit hin und her schweben und den Betrachter zum Nachdenken anregen.
Katharina Reschke selbst sagt: „Das realistischste Bild der Welt ist ein abstraktes Ereignis“. Und sie fügt hinzu: „Ein guter Realist muss alles erfinden.“
Im Studium entwickelte sie ihre Kunst sukzessive weiter, was sich auch in unserer Region herumsprach. Denn trotz ihres Aufenthalts in Bonn hat sie nie den Bezug und Kontakt zu Hanau und dem Main-Kinzig-Kreis verloren. Das zeigen auch ihre Ausstellungsaktivitäten, die sie immer wieder in die Region führten und sie mit der hiesigen Kunstszene vernetzten. Der Vorschlagende Joerg Eyffert, der auch Vorsitzender des Hanauer Kunstvereins ist, schreibt dazu: „Meine Aufmerksamkeit wurde erneut auf sie gelenkt, als sie anfing sich in Hanau an Ausstellungen zu beteiligen. Die Bilder waren so bemerkenswert, dass wir sie in der Remisengalerie im Jahr 2013 zu einer Gemeinschaftsausstellung einluden und ihr im Jahr 2014 eine Einzelausstellung ermöglichten.“ Es wird sicher nicht die letzte Ausstellung in unserer Region gewesen sein.
Freischaffende Künstlerin zu sein, war Katharina Reschkes Ziel – und das bleibt es. Der Förderpreis des Main-Kinzig-Kreises soll sie darin bestärken. Bei der Galerie Cerny & Partner in Wiesbaden ist ihre Kunst heute schon vertreten. Hier können ihre Bilder erworben werden; und die Nachfrage durch Privatleute und Unternehmen ist schon recht groß. Wir wünschen ihr weiterhin viel Erfolg. Aber es geht ihr nicht nur darum, Bilder zu verkaufen. Ihr demütiger Wunsch besteht darin, „bei einigen Leuten einen kleinen, veränderten Blick auf die Welt“ zu erreichen. „Das ist meine Berufung“, sagt sie. Und dafür wünschen wir ihr alles erdenklich Gute.
Ihre allererste Ausstellung, damals zusammen mit einem Kurs der Jugendkunstschule, fand übrigens in einer der Hanauer Sparkassen statt. Und Katharina Reschke hatte in diesem Zusammenhang sogar auch einen kleinen Preis gewonnen – damals mit 13 Jahren. Heute, genau 13 Jahre später, darf sie wieder einen Preis entgegen-nehmen, den die Sparkassen stiften. Diesmal ist es eine etwas größere Anerkennung: Der Nachwuchsförderpreis des Main-Kinzig-Kreises. Ich freue mich, ihn ihr heute überreichen zu dürfen – und vielleicht sehen wir uns ja in 13 Jahren wieder...
Die Laudatio hielt
Susanne Simmler
Erste Kreisbeigeordnete