2016 maerzwind

2016 • Kulturinitiative

Kleinkunstkreis Märzwind e.V.

Wächtersbach

www.maerzwind.de



Kleinkunstkreis Märzwind e.V.

Laudatio auf Sonderpreisträger Kleinkunstkreis Märzwind e.V.

 

Definition

Preisträger für den Sonderpreis der Kulturpreis-Jury ist der Wächtersbacher Kleinkunstkreis Märzwind – aber was ist Kleinkunst?
Es ist ein Genre der darstellenden Künste. Seinen Namen erhielt es aufgrund seines begrenzten personellen, räumlichen und materiellen Aufwands. Ein besonderer Reiz dieser Kunstform liegt auch im relativ geringen bühnentechnischen Aufwand. So entsteht eine intime Atmosphäre mit großer Nähe zwischen Künstlern und Publikum. Wer Veranstaltungen von Märzwind besucht, macht diese Erfahrung, denn dem Kleinkunstkreis ist es gelungen, über mehr als 30 Jahre diese Intimität zu erzeugen und aufrecht zu erhalten.

Heute ist der Kleinkunstkreis Märzwind e.V. eine feste Größe im Main-Kinzig-Kreis, eine Institution sozusagen. Sein Bekanntheitsgrad geht weit über die Kreisgrenzen hinaus. Dazu beigetragen hat die anhaltend hohe Qualität und Originalität seiner Programme, dazu gehören die monatliche Musik und Kleinkunst im Wächtersbacher Kulturkeller, Sonderprogramme in der HHH, der Frühjahrs-Kunsthandwerkermarkt, die Kulturreise und der Kunstsalon.

Die Vielfalt seiner Angebote sowie die unerschütterliche Ausdauer, mit der Mitglieder, Fans und Künstlerinnen und Künstler dem Verein die Treue halten, ist legendär.

 

Die Anfänge

Gegründet wurde der Kleinkunstkreis im Frühjahr 1984, als der frühlingslaue Märzwind auch frischen politischen Wind nach Wächtersbach brachte. 1984 war übrigens das Orwell’sche Jahr: Die Zukunftsgesellschaft, der Überwachungsstaat, alternative Lebensweisen waren Thema.
Es war auch die Zeit, als Kulturinitiativen auf dem Land wie Pilze aus dem Boden schossen. Gründer dieser Initiativen waren überwiegend zugezogene Städter, die dank günstiger Grundstückspreise und verbesserter Massenverkehrsmittel auf‘s Land gezogen waren. Das Leben im ländlichen Grün hatten sie sich aber meist anders vorgestellt.

Gründungsanstoß für die Initiative in Wächtersbach war damals ein Tischtennisteam, dem die Trainerin abhandengekommen war. Mangels Ersatz – und um weiterhin gemeinsam die Freizeit in der „Diaspora“ zu gestalten – besannen sich die Verbliebenen zunächst auf eigene Gitarren- und Gesangskenntnisse. Befreundete Künstlerinnen und Künstler beteiligten sich. Bald schon vergrößerte sich der Radius künstlerischer Aktivitäten. Saalmiete musste entrichtet werden -  mangels Vorbild nach dem ländlichen Tröster-Tarif…

 

Der Verein

Ein Verein mit Satzung wurde bald unumgänglich, da Spenden und Zuschüsse nur über Gemeinnützigkeit zu erlangen waren. Zu orientieren versuchte man sich unter anderem am legendären Jugendzentrum „Komm“ in Nürnberg, seinerzeit ein zentraler Ort von Hausbesetzer-Szene und Aufmüpfigkeit. Initiativen im Umkreis und darüber hinaus gaben Anregungen. Ein bewährtes Erfolgsrezept wurde umgesetzt, indem die kontaktfreudigen Märzwind-Mitglieder intensiv Netzwerke knüpften und diese auch pflegten. Das ist noch heute so.

Getroffen hat man sich jede Woche. Daraus entstanden solide Freundschaften, die dazu beitrugen, das gemeinsame Interesse der Kulturinitiative auf ein dauerhaftes Fundament zu setzen.

 

Der Wächtersbacher Kulturkeller

Nach jahrelangem „Tingeln“ von Kneipe zu Kneipe – mit anspruchsvollem Programm aber ohne Domizil – entstand 1989 die Idee, den Gewölbekeller der Alten Schule in Wächtersbach für Märzwind-Veranstaltungen auszubauen. Mit dem Dienstantritt des neuen Bürgermeisters Rainer Krätschmer wurde die Idee umgesetzt. Aus dem Holzlager wurde der beliebte Kulturkeller. Land und Kreis begleiteten den Verein „wohlwollend“.

Der guten Vernetzung ist es zu verdanken, dass es all die Jahre gelang, hochrangige und vielversprechende Künstler und Künstlerinnen mit bezahlbaren Gagen nach Wächtersbach zu holen. Die familiäre Atmosphäre in Wächtersbach, so typisch für die Kleinkunst, sprach sich schnell herum. Anfangs wurden die Künstler und Künstlerinnen sogar privat untergebracht. Der Kulturkeller wurde Station manch großer Karriere. Viele bemühten sich um mehrfaches Engagement. Bekannte Namen waren im Programm, darunter Eva Maria Hagen, die Mutter von Nina Hagen. Geschichte schrieb u.a. eine irische Band, trinkfest und anspruchslos.

 

Der Kunstsalon

Der erste Wächtersbacher Kunstsalon fand schon im Herbst 1986 statt. Seither entwickelte er sich zu einem anerkannten Höhepunkt der herbstlichen Kunstszene im Main-Kinzig-Kreis.

Hier wurden in all den Jahren nicht nur Kulturpreisträger des Main-Kinzig-Kreises präsentiert, sondern mehr als 20 Künstler und Künstlerinnen, die später als solche geehrt wurden. Die Liste ist lang.

Heute gibt es den Arbeitskreis Kunstsalon, dessen Mitglieder lange vor dem Ausstellungstermin Künstlerinnen und Künstler auswählen und Ateliers besuchen. Die Ausstellenden werden beim Auf- und Abbau tatkräftig unterstützt. Während der Ausstellung gibt es stets ein Begleitprogramm mit Schulklassen, Kindergärten, Künstlergesprächen, Workshops und Videos. Gerade schloss der 28. Kunstsalon seine Pforten. Mit fünf herausragend interessanten Ausstellenden war er wieder ein neuer Höhepunkt in der Geschichte dieser Ausstellung.  

 

Der Kunsthandwerkermarkt

... und dann gibt es seit 1990 noch den Kunsthandwerkermarkt, von Märzwind gemeinsam mit der Stadt organisiert. Gute Musik, und sorgfältig ausgewähltes, erlesenes Kunsthandwerk locken Besucher von weit her an. Märzwind-Mitglieder bewirten die Besucher mit Gegrilltem und selbstgemachter Mai-Bowle. Mit bisher 27 Veranstaltungen ist dieser Markt eine feste Größe im Frühjahrskalender und zur Messezeit.

 

Der Sonderpreis

Das Fazit: Das Misstrauen und das „fremdeln“, die Fremdheit der Anfangsjahre, sind längst überwunden. Der Gründungsanspruch des Kleinkunstkreises, frischen Wind ins Kulturangebot zu bringen, ist Realität. Dem Verein ist es anhaltend gelungen, besondere Kultur aufs Land zu bringen. In mehr als 30 Jahren entwickelte er sich zum Bindeglied kultursuchender Menschen - weit über die Ortsgrenzen hinaus. Ehrenamtliche Mitstreiter – viele davon heute im Saal – investieren dafür enorm viel Zeit, Kraft und Sachverstand.

Das Märzwind-Erfolgsrezept bleibt Vernetzung und der gute Ruf, als zuverlässiger Veranstalter! Auch für die Zukunft gilt, was eine Lokalzeitung kürzlich zum Abschluss des Kunstsalons lobend titelte: „Märzwind ist zwar in der Provinz, aber alles andere als provinziell“


Herzlichen Glückwunsch!

Die Laudatio hielt Renate Holzapfel (Mitglied der Kulturpreisjury)
02. November 2016, Main-Kinzig-Kreis