2001 ticha

2001 • Malerei

Hans Ticha

Tetschen-Bodenbach 1940

Hauptstraße 8 • 63477 Maintal



Hans Ticha

"Handwerkliche Solidität, Experimentierfreude, originelle Bildfindungen und konzeptionelle Konsequenz" zeichnen laut Hiltrud Lübbert das künstlerische Schaffen von Hans Ticha aus. Weiter schreibt sie in ihrem Vorwort zu Tichas "Werkverzeichnis 1969—2000": "Sein illustratives Werk ist bis zum Jahr 2000 auf 83 Titel illustrierter Bücher angewachsen, 64 Umschlaggestaltungen, mindestens 36 Illustrationsbeteiligungen — ein Ergebnis streng geprüfter Ideen, langer, engagierter Arbeit…"

Preise und Ehrungen illustrieren die 30jährige Künstlerkarriere Tichas. Seine erste Anerkennung bekommt er bereits 1961 — damals noch "Laienkünstler" und Lehrerstudent. Dem Kunstpreisträger des FDGB wird von der offiziellen DDR-Kulturkritik "vollkommene Einheit von Bild, Schrift und Farbgebung" bescheinigt. Es folgen 1972 und 1973 — in seinen ersten Berufsjahren — gleich zwei Nennungen für das "Schönste Buch der DDR" für "Skurrile Skizzen" und "Geschichten aus der Murkelei". Mittlerweile kann der Künstler auf 25 Titel verweisen, die als "Schönstes Buch des Jahres" ausgezeichnet wurden, außerdem werden elf "Schönste Buchumschläge" prämiert. 1982 erhält er die Silbermedaille der Internationalen Buchausstellung Leipzig für "Branstner, Buch der Heiterkeit", 1989 das Ehrendiplom der Internationalen Buchausstellung Leipzig für "Eene, meene Muh…" und "Hampelmann sucht Hampelfrau". Für das Buch "Brecht, Flüchtlingsgespräche" erringt er die Silbermedaille in der Kategorie der "Schönsten Bücher der Welt" sowie den Walter-Tiemann-Preis. Zuletzt ehrt ihn die Stiftung Buchkunst im Jahr 2000 mit dem 3. Preis für das Werk "Ernst Jandl — Aus dem wirklichen Leben".

Hans Ticha wird im böhmischen Tetschen-Bodenbach geboren und wächst in dem Industriestädtchen Schkeuditz in der Nähe von Leipzig auf. 1953 organisieren dort drei ortsansässige Künstler eine Ausstellung mit Arbeiten aller Maler, die in den letzten Jahrhunderten von hier gekommen sind. Der heranwachsende Ticha, der in seiner Freizeit viel malt und zeichnet, besucht die Ausstellung und schließt sich vor Ort Volkshochschulkursen, die wenig später in "Zirkel für künstlerisches Volksschaffen" umbenannt werden, an. Ticha hat, wie ein Teil der Kollegen seiner Generation, in solchen Gruppen seine ersten künstlerischen Schritte unternommen.

Nach dem Abitur studiert er Kunsterziehung und Geschichte an der Leipziger Universität, verbringt zwei Jahre im Lehramt und beschließt, nachdem er auch noch den Militärdienst absolviert hat, sich zur Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee zu melden.

Diese Hochschule war nach dem 2. Weltkrieg organisatorisch nach dem Vorbild des Bauhauses gegründet worden. Ticha wird aufgenommen, allerdings zunächst in der Malklasse, und studiert Malerei und Graphik bei den Professoren Klaus Wittkugel, Werner Klemke, Arno Mohr und Kurt Robbel. 1970 erhält er sein Diplom und wird Mitglied im "Verband bildender Künstler". Bis 1990 lebt und arbeitet er als freischaffender Maler und Illustrator in Berlin (Ost).

Seine Malerei ist geprägt von seinem Vorbild Fernand Léger und ist beeinflusst von den Bauhaus-Malern sowie den russischen Konstruktivisten. Über die Kunstentwicklung im Westen nach 1945 weiß er bis Ende der 1970er Jahre nichts, später verschafft er sich bruchstückweise Kenntnisse über Du-Mont-Taschenbücher und interessiert sich für Pop-Art. Während sich die Vertreter derUS-amerikanischen und westeuropäischen Pop-Art-Szene kritisch-ironisch mit der Ästhetik der kapitalistischen Konsumwelt befassen, benutzt Ticha die Stilmittel, um sich mit der sozialistischen Propaganda-Bilderwelt auseinander zu setzen. Den revolutionären Begriff "Agit-Prop" variiert er zu "Agit-Pop", er gilt als der einzige Pop-Art Künstler der DDR.

Nach dem Fall der Mauer übersiedelt er zunächst nach Mainz, später nach Maintal, wo er in der Altstadt von Hochstadt eine Hofreite erwirbt. Seine Erfolgsgeschichte setzt sich im Westen fort, 1990 nimmt er an der 44. Biennale in Venedig teil, große Museen kaufen seine Arbeiten an: das Historische Museum Berlin, das Haus der Geschichte Bonn, das Schloss Weimar und das Germanische Nationalmuseum Nürnberg.

Die Anerkennungen haben seine kritische Sicht der Dinge auf die Schwachstellen des politischen Geschehens nicht beeinflusst. Hiltrud Lübbert kommentiert: "War es früher die Kritik am "Diktat der Massen" im System der sozialistischen Diktatur, ist es heute die Kritik an den Auswüchsen der Konsumgesellschaft und ihre Abhängigkeit vom Diktat des Marktes mit ihrer daraus resultierenden Deformation der Gesellschaft."