2014 schliszke

2014 • Malerei

Alexandra Schlißke

Würzburg 1991

Langendiebacher Straße 28 • 63526 Erlensee



Alexandra Schlißke

Laudatio auf Alexandra Schlißke

Es sind nunmehr genau 30 Jahre her, dass der Kulturpreis des Main-Kinzig-Kreises, der damals von Jahr zu Jahr in der Öffentlichkeit an Bedeutung gewann, durch die Aussetzung eines Förderpreises erweitert wurde. Damit wollten wir, die Initiatoren des Preises, jungen Künstlerinnen und Künstlern, die im Kreisgebiet ihren Wohnsitz haben oder hier ihre Ausbildung erhalten, durch diese öffentliche Auszeichnung einen Anreiz geben für weitere künstlerische Leistungen. Blickt man zurück auf diese drei Jahrzehnte, so kann man feststellen, dass hoffnungsvolle Talente und kreative Kunstschaffende mit dieser Auszeichnung gefördert und sie in ihrer künstlerischen Laufbahn tatsächlich vorangebracht wurden.

Ich hatte die Ehre, gemeinsam mit Landrat Hans Rüger 1984 dem ersten Förderpreisträger Daniel Krüerke, einem jungen Pianisten aus Erlensee, die Urkunde zu überreichen. Heute ist in Google nachzulesen, dass er seiner künstlerischen Begabung hauptberuflich nachgegangen ist, Klavier und Musiktheorie unterrichtet und einen Lehrauftrag an der Musikhochschule Frankfurt wahrgenommen hat. Sie sehen, die Jury hatte seine künstlerischen Fähigkeiten, sein Talent richtig eingeschätzt – dies nur als ein Beispiel von vielen.

Und ich bin überzeugt, dass es auch in diesem Jahr bei der Auswahl der Förderpreisträgerin keine Fehleinschätzung der Juroren gibt. Denn der Main-Kinzig-Kreis verleiht 2014 den Förderpreis des Kulturpreises an Alexandra Schlißke, wiederum aus Erlensee. Sie ist das jüngste Mitglied der Hanauer Künstlervereinigung „Pupille”, deren Vorsitzende Frau Roth es sich natürlich auch nicht hat nehmen lassen, heute anwesend zu sein, um sich mit ihr über diese Auszeichnung zu freuen. Als Vertreter ihrer Heimatstadt ist in Vertretung von Bürgermeister Erb die Vizebürgermeisterin Frau Birgit Behr gekommen, um ihr im Namen der städtischen Gremien anschließend ein Präsent zu überreichen. Natürlich möchte ich auch die Eltern und Freunde von Alexandra begrüßen, die bisher sicher einen großen Anteil an ihrer künstlerischen Entwicklung hatten.

Als Mitglied der Kulturpreisjury, aber auch als Ehrenbürger der Stadt Erlensee freue ich mich natürlich besonders, heute diese Laudatio für Frau Schlißke zu übernehmen. Es ist immer wieder spannend, junge Menschen kennenzulernen, die sich mit Leidenschaft der Kunst verschrieben haben.

Alexandra Schlißke wurde vor 23 Jahren in Würzburg geboren. Zwei Jahre später zogen ihre Eltern nach Erlensee. Sie besuchte das Kreuzburggymnasium in Großkrotzenburg und machte dort vor vier Jahren ihr Abitur. Seitdem absolviert sie eine Lehre als Silberschmiedin an der Hanauer Zeichenakademie.

Sehr früh entdeckten ihre Eltern eine künstlerische Begabung bei ihr, denn das Basteln, Malen und Gestalten ging ihr leicht von der Hand. So ermunterten sie ihre Tochter, an einem Kurs der Jugendkunstschule teilzunehmen.

Die Bestätigung für diese Entscheidung kam sehr schnell. Denn die damals 14-Jährige wagte sich sofort an die schwierige und aufwändige Technik der Ölmalerei, „ein ganz neues Erlebnis”, wie sie selbst sagt. Und Ölfarben, Pinsel, Spachtel oder auch eine dafür zweckentfremdete Zahnbürste sind heute noch die bevorzugten Instrumente für ihre häufig großformatigen Bilder. Sie hat sehr schnell gespürt, dass diese Form der Visualisierung ihren Vorstellungen und ihrem Temperament am nächsten kommt. Die Farben, die Textur, die Schichten, die Tiefe und die Haltbarkeit sind für sie wesentliche Gründe, warum sie überwiegend auf diese Weise arbeitet. Die Bilder durchlaufen eine Entwicklung, vor allem wenn die Farbe in Schichten aufgetragen wird.

Die Werke von Alexandra Schlißke zeigen Motive aus der realen Welt, präzise, z.T. auch überdimensional abgebildet, ein Einblick in Sphären, die die meisten Menschen jedoch noch nie gesehen haben. Es sind vor allem Vergrößerungen und Ausschnitte aus dem Bereich der Anatomie und Physiologie des Menschen. Strukturen des Knochenmarks, Details von Herz und Lunge, Zellen des Gehirns – oder auch das Knochengerüst des Brustkorbs. Die Arzttochter ist von diesen inneren menschlichen Landschaften fasziniert.

Mancher Betrachter dieser Bilder ist zunächst distanziert, vielleicht auch ein wenig schockiert. Für ihn ist es eine völlig ungewohnte Sichtweise, eine irritierende Perspektive. Aber wenn man sich länger auf sie einlässt, sich mit den Bildern beschäftigt, gewinnt man neue Eindrücke. Die sorgfältigen Darstellungen sind durchweg sehr ästhetisch, von organischer Anmut und zugleich außergewöhnlich plastisch. Insgesamt ist die Ausführung von besonderer Qualität – und die Motive erhalten auf Dauer eine besondere Anziehungskraft.

Die junge Künstlerin möchte mit ihren Gemälden jedoch keinesfalls erschrecken. Sie legt den Fokus auch nicht auf biologische Fehlentwicklungen, sondern sie wird vielmehr angezogen von den Formen, Farben und Strukturen der menschlichen Anatomie. Ihr Ansatz ist eher unbefangen und optimistisch. Ihr Werk ist ganz und gar dem Leben und dem Wesen des Menschen zugewandt.

Am Ende freut sie sich über die vielfältige Resonanz, die ihre Bilder auslösen. Sie zeigt großes Interesse an der Wirkung und sucht den Dialog mit den Betrachtern. Die Kommunikation mit den Besuchern einer Ausstellung fällt ihr leicht und gern spricht sie über ihre Gemälde.

Zahlreiche Preise und Auszeichnungen belegen ihr Talent. Von 2005 an gewann sie drei Mal nacheinander den 1.Preis beim Malwettbewerb der Jugendkunstschule Hanau. 2008 wurde Alexandra Schlißke in die Begabtenförderung der Jugendkunstschule aufgenommen. In den beiden Folgejahren beteiligte sie sich zweimal an Ausstellungen der Künstlervereinigung „Pupille”, der sie jetzt schon 6 Jahre angehört. Weitere Ausstellungen und Auszeichnungen folgten in den vergangenen Jahren. In diesem Jahr kam die Gründung des Ateliers „Glashaus” in Maintal hinzu. Inzwischen hat sie auch schon rund 30 Gemälde an begeisterte Menschen verkaufen können. Es ist sicher wenig überraschend, dass ein Großteil der Motive in Arztpraxen einen Platz gefunden hat.

Nach dem Abitur stand sie – wie viele junge Menschen – vor der Frage, wie es weitergehen soll. Es kamen Zweifel auf, ob die Kunst als Lebensinhalt oder auch als Broterwerb dienen kann. Und andere Fähigkeiten wollte sie sich nicht zugestehen. „Ich kann nur malen, zeichnen und basteln”, lautete ihr kurzes Selbstporträt.

Sie entschied sich schließlich für eine solide handwerkliche Ausbildung als Silberschmiedin in der Zeichenakademie in Hanau. Inzwischen befindet sie sich mitten in der Vorbereitung zur Gesellenprüfung. Die vergangenen Monate haben die Begeisterung insbesondere für das Handwerkliche noch einmal gesteigert, berichtet sie. Insbesondere Zeichnungen und Skizzen sind gefordert, aber auch Geschicklichkeit und Fantasie. Parallel hat sie weiter experimentiert mit Acryl, Collagen, verschiedenen Motiven. Ein Schwerpunktthema ist auch Aktmalerei. Die ehrliche und kritische Auseinandersetzung mit ihrer Arbeit bedeutet Alexandra Schlißke sehr viel.

Das Besondere an ihr ist, wie ich meine, die Doppelläufigkeit ihrer Tätigkeit. Auf der einen Seite die Beschäftigung mit der traditionellen Bildenden Kunst - Ölmalerei, dann auf der anderen Seite die nüchterne handwerkliche Tätigkeit der Silberschmiedin - modernes Design mit kunsthandwerklicher Ausbildung. Handwerkliches und künstlerisches Schaffen fließen ineinander über. Gemeinsame Voraussetzung für Beides ist jedoch ein hohes ästhetisches Empfinden und schöpferische Kreativität. Das alles sind gute Vorzeichen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung. Mit dem Kultur-Förderpreis hoffen wir dazu einen Beitrag zu leisten und sie zusätzlich zu motivieren. Eine Idee unserer Preisträgerin ist für ihren weiteren Ausbildungs- und Berufsweg der Schritt in Richtung Design. Dabei könnte sie der Weg nach Kassel, München, Halle oder Nürnberg führen. Wir wünsche ihr dabei viel Glück und Geschick sowie weiterhin eine ungebrochene Begeisterung für die Schaffung ästhetischer Gegenstände – die durchaus für den Alltagsgebrauch auch praktisch sein dürfen. Ich gratuliere im Namen der Kulturpreis-Jury ganz herzlich der Förderpreisträgerin 2014: Alexandra Schlißke.

Die Laudatio hielt
Aloys Lenz
Mitglied der Kulturpreis-Jury